Die Voraussetzungen für die tiefe Geothermie in Österreich unterscheiden sich im wesentlich zwischen der Alpinen Region und den sedimentären Becken (Molasse Becken, Steirisches Becken, Wiener Becken und Pannonisches Becken). Das Molasse Becken im Norden und Steirische Becken im Südosten Österreichs bieten die günstigsten Voraussetzungen für hydrogeothermale Nutzung. Das bezieht sich auf günstige Wärmeflussdichten, Grundwasserkapazitäten und die chemische Zusammenssetzung des Grundwassers. Daher sind diese beiden Regionen bereits sehr stark genutzt. Zusätzliche Nutzungspotenziale werden in diesen Regionen laut Könighofer et al (2014) auf 100 MWth geschätzt. Ein aktuelles Forschungsprojekt (www.geotiefwien.at) setzt sich zum Ziel das Potenzial im Wiener Becken zu quantifizieren. Anhand der Resultate des Projekts soll entschieden werden inwieweit das Potenzial für die Wärmeversorgung der Stadt Wien zukünftig genutzt werden kann.
In der Alpinen Region gibt es nur vereinzelte Fenster von Wärmeanomalien, welche meist durch deren Nutzung (Bad Gastein, Längenfeld,...) sichtbar sind.
Abseits balneologischer Anwendungen (z.B. Thermen), die bis auf die Römerzeit zurückgehen (z.B. Baden bei Wien, Badgastein oder Villach), wurde die erste Anlage zur energetischen Nutzung natürlicher Thermalwässer (Hydrothermale Geothermie) 1977 in Bad Waltersdorf in Betrieb genommen.
Die Karte zeigt eine Übersicht von bestehenden Nutzungen und Ressourcen der hydrothermalen Geothermie in Österreich (Verein Geothermie Österreich, 2019). Hellrote Gebiete lassen das grundsätzliche Vorhandensein von Thermalwässern bis 100°C erwarten. Rot schraffierte Bereiche können Thermalwasservorkommen über 100°C aufweisen. Die Karte zeigt zudem bestehende balneologische und energetische Nutzungen.
Seit 1977 werden Thermalwässer in 10 Anlagen zur Wärme- und Stromgewinnung genutzt. Sämtliche Anlagen befinden sich bislang jedoch nur in zwei geologischen Regionen – in der oberösterreichischen
Molasse sowie im steirischen Becken. Nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht der im Jahr 2018 verfügbaren hydrogeothermalen Energiegewinnung.
Neben der energetischen Nutzung werden Thermalwässer in über 40 Thermalbädern genutzt. Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass balneologische Nutzungen in den vergangenen Jahrzehnten ein
wesentlicher Motor zur Nutzung der hydrothermalen Geothermie in Österreich darstellten. In diesem Zusammenhang stellt die kombinierte energetisch – balneologische bzw. kaskadische Nutzung von
Thermalwässer ein für Österreich bislang typisches Anwendungsspezifikum dar. Drei der 10 in Österreich installierten hydrogeothermalen Anlagen (Bad Waltersdorf, Bad Blumau und Geinberg)
kombinieren eine balneologische Nutzung mit der Produktion elektrischer Energie (Bad Blumau) sowie der Versorgung von Nahwärmenetzen (alle) und der Bereitstellung industrieller Wärme (Geinberg).
Die geothermale Stromgewinnung erfolgt in Österreich mittels indirekter binärer Verstromungszyklen (ORC) in Kleinanlagen mit Leistungen bis zu 1 MWel. Die erste Anlage wurde im Jahr 2001 in Bad
Blumau in Betrieb genommen. Die zweite Anlage in Altheim (Oberösterreich) nahm ihren Betrieb kurz danach im Jahr 2002 auf. Die industrielle Nutzung der hydrothermalen Geothermie findet in
Österreich an zwei Standorten (Fürstenfeld, Geinberg) statt. In beiden Fällen wird hydrogeothermale Wärme für die Gewinnung von Lebensmittel (Geinberg: Molkerei, Fürstenfeld: Gemüseproduktion)
herangezogen. Die im Jahr 2016 in Betrieb gegangene Anlage der Firma Frutura Obst & Gemüse Kompetenzzentrum GmbH stellt zudem mit einer installierten Leistung von 15 MWth und einer jährlichen
Wärmearbeit im Jahr 2018 von 40 GWhth eine der größten hydrogeothermalen Anlagen Österreichs dar.
Die Nutzung der hydrothermalen Geothermie findet in Österreich bislang nur abseits der großen Ballungszentren statt. Einen wesentlichen Grund hierfür stellt ein komplexer und teilweise nicht mehr zeitgemäßer gesetzlicher Rahmen für die Aufsuchung und Erschließung hydrothermaler Ressourcen dar. Um den erfolgreichen Ausbau der Tiefen Geothermie für die Wärme- und Stromgewinnung zu forcieren, ist eine Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufsuchung und Gewinnung geothermischer Energie notwendig.
Trotz langer Tradition in der Nutzung der hydrothermalen Geothermie seit den späten 1970er Jahren, fand in Österreich erst vor wenigen Jahren ein Umdenken in Richtung der systematischen Erkundung und Anwendung der Geothermie statt. Fehlende Anreizprogramme unterstützten zudem eine über 15 Jahre andauernde Phase des geringen Ausbaus.
Vision 2030 für die Tiefe Geothermie in Österreich
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Das Regierungsübereinkommen der aktuellen Bundesregierung in Österreich lässt jedoch neue Anreize in der Anwendung der Hydrogeothermie in Österreich erhoffen. Die österreichischen Beckenregionen, insbesondere das Wiener Becken, sind infolge der Kohlenwasserstoff Exploration gut untersucht und viele bekannten Ressourcen bis dato nicht genutzt. Gemäß dem gegenwärtigen Kenntnisstand sind weitere hydrogeothermale Erschließungen im Umfang von 700 MWth bis über 1.000 MWth möglich und können somit entscheidend zur Dekarbonisierung des Fernwärmebereichs in Österreich beitragen.
Durch die Nutzung der Tiefen Geothermie kann der Anteil erneuerbarer Energie in der Fernwärmeerzeugung von derzeit 46 % auf bis zu 86 % (2050) erhöht werden.
Quellen: Statistik Austria, 2017 / OIB Richtlinie 6, 2015 / GeoEnergie 2050, 2012