Der Wiener Erdwärmetag 2023 fand heuer als hybrid Veranstaltung am 19.6. an der GeoSphere Austria am Standort Neulinggasse 38, 1030 Wien statt. Dieses Jahr widmete sich der Erdwärmetag dem Thema:
"Einbindung der Erdwärme in urbane Strukturen“
Ein stetiger Anstieg der städtischen Bevölkerung stellt eine Herausforderung für eine zukünftige klimaneutrale Wärmeversorgung dar. Aufgrund des hohen Energiebedarfs der Gebäude ist eine nachhaltige Umrüstung von Bestandsgebäuden, sowie eine energieeffiziente Errichtung von Neubauten entscheidend. Hier kann die Geothermie mit ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten im urbanen Raum einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei spielt der Einsatz der tiefen und oberflächennahen Geothermie (Erdwärmesonden, Grundwasser Wärmetauscher) eine wichtige Rolle, aber auch die Nutzung thermisch aktivierter Gebäudeelemente (Geostrukturen) ist bedeutend. Geostrukturen sind eine einfache und günstige Form der Erdwärmenutzung, da ohnehin notwendige Bauteile von Gebäuden wie Bodenplatten, Wände oder Bohrpfähle thermisch aktiviert werden. Daher möchten wir mit der diesjährigen Veranstaltung die Bedeutung aller Anwendungsmöglichkeiten der Geothermie im urbanen Raum für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors in Wien sichtbar machen.
Der Wiener Erdwärmetag war heuer eine Kooperation der GeoSphere Austria mit der Stadt Wien | Energieplanung,
dem GTÖ und dem Institut für Geotechnik der Technischen Universität Wien.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an veronika.turewicz@geosphere.at.
Unter folgendem Link haben Sie die Möglichkeit die gesamte Veranstaltung nachzuschauen: Wiener Erdwärmetag 2023 - YouTube
Moderation: Robert Krickl (Verein Geothermie Österreich)
Stadtrat Jürgen Czernohorszky (Stadt Wien), Stefan Hoyer (GeoSphere Austria), Dietmar Adam (Technische Universität Wien)
Die Begrüßung erfolgt durch die VeranstalterInnen. Der Klimawandel und andere Krisen wie der Krieg in der Ukraine machen der Lebensqualität in Wien zu schaffen. Die Klimakrise stellt vor allem Städte vor großen Herausforderungen. Aufgrund dessen brauchen wir neue Lösungen. Hierzu gehört auch die Art und Weise wie wir zukünftig unsere Häuser heizen. Wien hat sich zum Ziel gesetzt fossile Energieträger bis 2040 hinter sich zu lassen um auch nicht mehr von fremden Energielieferanten abhängig zu sein. Die Strategie Wärme und Kälte 2040 soll hierbei helfen. Die Erdwärme ist ein wesentlicher Baustein davon, da sie zu den vielversprechendsten Wärmelösungen der Zukunft zählt. Auch die Massivabsorber-Technologie, die als Form der Erdwärmenutzung zum Einsatz kommt, spielt hier eine wichtige Rolle.
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Stefan Sattler (Stadt Wien Energieplaung)
Stefan Sattler (Stadt Wien Energieplanung – MA 20) präsentiert bereits zum fünften Mal aktuelle Informationen und Projekte von Seiten der Stadt Wien. Es braucht zahlreiche Aktivitäten um die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Zum einen wurde in den letzten Jahren das Kompetenzzentrum erneuerbare Energie gegründet. Ein Service der Stadt Wien, das Informationen und Beratungen rund um das Thema Erneuerbare Energie bietet. Um die Ziele zu erreichen werden Lösungen benötigt, die ein frühzeitiges Handeln erfordern und eine langfristige Planungssicherheit schaffen. Aufgrund dessen wurde die Strategie „Raus aus Gas – Wiener Wärme und Kälte 2040“ vor kurzem veröffentlicht. Zudem gibt es eine Initiative „100 Projekte Raus aus Gas“, die zusätzlich zum Konzept ein Umsetzungsprogramm bietet. Weitere Aktivitäten sind unter anderem die Sonnenstrom-Offensive, die Landesförderung Sanierungsverordnung der Stadt Wien und die Bundesförderung „Kesseltausch – BMK“.
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Veronika Turewicz (GeoSphere Austria)
Veronika Turewicz (GeoSphere Austria) gibt wie im Jahr zuvor einen kurzen Überblick über die allgemeine Marktsituation der Energieversorgung in Wien, sowie über Markttrends speziell zur Erdwärmenutzung, und fokussiert hierbei vor allem auf die Entwicklungen, die seit dem letzten Jahr zu beobachten sind. Der Endenergieverbrauch pro Kopf im bundesweiten Vergleich ist in Wien am geringsten, konnte im Allgemeinen jedoch in den letzten Jahren in allen Bundesländern gesenkt werden. Der Einsatz erneuerbarer Wärme steigt seit dem letzten Jahr weiter an. In Bezug auf die Erdwärmenutzung wurden dieses Jahr zusätzlich die im Wasserbuch eingetragenen Anlagen mit Bauteilaktivierung erhoben (13 registrierte Anlagen). Im Allgemeinen ist mit insgesamt 1489 Anlagen weiterhin besonders ein erhöhter Einsatz von Erdwärmesonden zu erkennen. Bei den thermischen Grundwassernutzungen konnte ein kleiner Anstieg an Anlagen verzeichnet werden und es kamen keinen neuen reinen Grundwasser-Kühlwasseranlagen hinzu. Im Vergleich zum letzten Jahr ist demnach ein deutlicher Anstieg an Erdwärmenutzungen, besonders mittels Erdwärmesonden, in Wien zu erkennen.
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Dietmar Adam (Technische Universität Wien)
Dietmar Adam (Technische Universität Wien) leitet den zweiten Block ein und gibt eine Übersicht zum Thema der Veranstaltung – Einbindung der Geothermie in urbane Strukturen. Anhand der Emissionen der Brennstoffe zur Gebäudeheizung werden unter anderem verschiedene Energiesysteme miteinander verglichen. Holz und Pellets haben vergleichsweise besonders schlechte Werte in Bezug auf die Feinstaub- und CO2-Emissionen am Standort, obwohl sie als erneuerbare Energieträger gelten. Die Erdwärme besitzt im Vergleich dazu sehr gute Werte, was auch anhand eines konkreten Beispiels gezeigt wird. Zudem wird das Forschungsprojekt GEO-Pot vorgestellt, welches das oberflächennahe Geothermiepotenzial flächendeckend in Österreich untersuchte. Dietmar Adam erklärt, welche Betriebsmöglichkeiten die Erdwärmenutzung mit und ohne Wärmepumpe bietet, und gibt eine allgemeine Übersicht der vorhandenen Geothermiesysteme mit Fokus auf die Massivabsorber-Technologie. Diese nimmt bei der diesjährigen Veranstaltung zum ersten Mal eine größere Rolle ein.
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Adrian Brunner (Technische Universität Wien)
In diesem Vortrag erläutert Adrian Brunner (Technische Universität Wien), wie Massivabsorber insbesondere bei Infrastrukturbauwerken aufgrund der ohnehin in großer Zahl erforderlichen Gründungselemente im urbanen Raum einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors beitragen können. Die thermische Aktivierung von Gründungselementen und anderen erdberührten Bauteilen bietet die Möglichkeit, statisch konstruktiv erforderliche Elemente synergetisch zum Heizen und Kühlen von Gebäuden heranzuziehen. In Wien wurde seit den frühen 2000er Jahren bereits eine Vielzahl an Pilotprojekten mit Massivabsorbern realisiert. Im Baulos LT24 – Hadersdorf-Weidlingau des Lainzer Tunnels wurden zum Beispiel Großbohrpfähle einer aufgelösten Bohrpfahlwand thermisch aktiviert, um ein angrenzendes Schulgebäude in den Jahren 2004 bis 2022 mit Erdwärme zum Heizen zu versorgen. Die Erfahrungen und Messdaten der Pilotanlage LT24 des Lainzer Tunnels zeigen, dass eine nachhaltige Erdwärmegewinnung durch thermische Aktivierung von Gründungselementen sogar ohne Instandhaltungsarbeiten über Jahrzehnte möglich ist.
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Gerhard Bayer (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik)
Gerhard Bayer (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) zeigt auf wie Angergienetze als die urbane Form der oberflächennahen Geothermienutzung eine wichtige Rolle spielen und macht deutlich wie diese Nutzungsform das Deckungspotenzial im Vergleich zu Wärmepumpen-Insellösungen erhöhen kann. Hierbei sind Liegenschaftsübergreifende Wärmequellenerschließungen, sowie die Nutzung öffentlicher Flächen (Gehsteige, Parkstreifen, Fahrbahn) entscheidend. Es werden Vorteile, aber auch Herausforderungen aufgezeigt und verschiede Projekte zu Anergienetzen vorgestellt. Ein Praxisbeispiel ist der SMART block Geblergasse, der das erste Anergienetz im Gründerzeitbestand darstellt. Außerdem das Projekt AnergieUrban Leuchttürme, das anhand konkreter Pilotprojekte wie im Gebiet Innerfavoriten oder in der Miesbachgasse prüft welche Rahmenbedingungen eine bestmögliche Geothermienutzung im urbanen Raum ermöglichen. Weiters auch das Projekt „Anergienetze WieNeu+“ im 20. und 2. Bezirk. Hier werden geeignete Häuserblöcke für Anergienetze identifiziert und vorbereitet.
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Günter Lang (LANG Consulting)
Günter Lang (LANG Consulting) stellt die Energiegemeinschaft SmartCity Baumgarten vor. Hier soll ein grundstücksübergreifendes Anergienetz in einem Quartier außerhalb des Fernwärmenetzes geschaffen werden. In Folge eines geplanten Neubaus hat sich für die benachbarten Altbauten eine Chance ergeben ihr Heizsystem auf lokal erzeugte erneuerbare Energie umzurüsten. Dies gelingt dank eines gemeinsamen Niedertemperaturnetzes, 25 Erdwärmesonden, die mit je 150 m Tiefe unterhalb des geplanten Neubaus gebohrt wurden, sowie Photovoltaik. Entscheidend für den Erfolg des Projektes waren Kommunikation und viel Überzeugungsarbeit. Nur die gemeinsame Planung der Liegenschaften, sowie die thermische Sanierung der Bestandsgebäude um den Bedarf stark zu reduzieren, ermöglichen auch eine energieeffiziente Versorgung der Altbauten. Wirtschaftlichkeitsanalysen haben zudem gezeigt, dass eine Umrüstung langfristig durchaus wirtschaftlich sinnvoll ist.
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Robert Philipp (TERRA Umwelttechnik)
Robert Philipp (TERRA Umwelttechnik) präsentiert wie die Geothermie beim Umbau von Altbauten erfolgreich zur Wärmeversorgung genutzt werden kann, und stellt dies unter anderem an zwei Praxisbeispielen dar. Gerade in Wien gibt es eine große Zahl an Gründerzeithäusern mit einem hohen Verbauungsgrad, die wenig Platz für Erdwärmesonden oder Flächenkollektoren bieten und, die noch mit fossilen Energien versorgt werden. Für einen Energie-Umstieg sind also vor allem Kombinationen aus verschieden Energiequellen notwendig. Die Geothermie kann mit ihren verschiedenen Einsatzmöglichkeiten hier als lokal erzeugte erneuerbare Energie einen wichtigen Beitrag leisten. Ein Praxisbeispiel ist das Hotel Praterstern im 2. Bezirk, das derzeit generalsaniert und mit einer Grundwassernutzungs-Anlage versorgt wird. Beim zweiten Praxisbeispiel handelt es sich um eine ehemalige Heeresversorgungsanstalt, die totalsaniert und zu Eigentumswohnungen umgebaut wird. Da hier eine Versorgung mit Erdwärmesonden und thermischer Grundwassernutzung nicht möglich ist, wird für die Heizung und Kühlung des Gebäudes Wasser aus dem Donaukanal entnommen und wieder eingeleitet.
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Peter Keglovic (Wien Energie)
Zum ersten Mal war auch die tiefe Geothermie Thema beim Wiener Erdwärmetag. Peter Keglovic (Wien Energie) gibt einen Einblick darüber wie die Tiefengeothermie dabei helfen soll Wiens Fernwärmeversorgung zu dekarbonisieren. Wien Energie hat sich zum Ziel gesetzt die tiefen Thermalwasservorkommen unter Wien nutzbar zu machen. Der Raum Wien besitzt um die 40 bis 60 % des technisch nutzbaren Potenzials in Österreich. Zudem gibt es in Wien eines der größten Fernwärmnetze Europas, dessen Wärme zur Hälfte immer noch durch fossile Energieträger zur Verfügung gestellt wird. Die Basisarbeiten für das Vorhaben wurden im Rahmen des Projektes GeoTief Wien durchgeführt. Das Projekt erforschte mithilfe seismischer Messungen den tiefen Untergrund und demzufolge die möglichen Wärmepotenziale. Derzeit wird die erste Pilotanlage in Aspern geplant und in weiterer Folge sollen bis 2030 ca. 120 MWth in Kombination mit einer Wärmepumpe erzeugt werden.
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Stefan Sattler (Stadt Wien Energieplanung), Dietmar Adam (Technische Universität Wien), Adrian Brunner (Technische Universität Wien), Gerhard Bayer (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik), Günter Lang (LANG Consulting), Robert Philipp (TERRA Umwelttechnik), Peter Keglovic (Wien Energie)
Zum Abschluss der Veranstaltung findet mit allen Vortragenden eine Podiumsdiskussion statt. Zu Beginn geben die Vortragenden ein Statement dazu ab warum die Geothermie für die Dekarbonisierung Wiens so wichtig ist. Anschließend werden offene Fragen beantwortet und Diskussionen zum Thema der Veranstaltung geführt.
Moderation: Robert Krickl (Verein Geothermie Österreich)